Peter Schläppi bei der Schneeräumung

Natur

Den Schnee verstehen

Lawinen gehören zu den grössten Gefahren für die Winterbaustelle am Grimselsee. Der Lawinendienst der KWO muss das Risiko täglich beurteilen. Dazu braucht es Wissen, Erfahrung und ein gutes «Gspüri». 

10.03.2025 Autor:in – Annette Marti

Morgens um vier Uhr hat Peter Schläppi die wichtigste Entscheidung des Tages bereits gefällt: Darf die Zufahrt zur Baustelle in der Spitallamm geräumt wer - den oder ist die Lawinengefahr zu gross? Die Nachricht geht auf die Handys all jener, die an den Bauarbeiten am Grimselsee beteiligt sind. Peter Schläppi ist Leiter des Lawinendienstes der KWO. Zusammen mit seinem Team von sechs Personen erfüllt er für die Winterbaustelle einen überaus wichtigen Job. Kommt aus dem Büro des Lawinendienstes ein Nein, darf die Baustelle nicht angefahren werden, was wiederum bedeutet, dass die gesamten Bauarbeiten verkompliziert werden. Die Strasse zwischen dem Sommerloch und dem Wandfuss der Spitallamm-Mauer ist ein Nadelöhr. «Natürlich versuchen wir, die Zufahrt den ganzen Winter offen zu halten», erklärt Schläppi. «Das bedingt, dass wir die Flanke des Nollens ganz genau beobachten. Dieser Abhang ist zwar nicht riesig gross, aber je nach Verhältnissen gefährlich genug.» Der Lawinendienst der KWO ist im Winter für die Kantonsstrasse oberhalb von Guttannen zuständig. Besondere Aufmerksamkeit erfordert auch die Passage zwischen Guttannen und der Handeck – eine Strecke, die stark lawinengefährdet ist. 

 

Wenn es schneit, beginnt Schläppi seine Schicht um drei Uhr auf dem Hospiz – dies, nachdem er mit dem Auto von der Handeck durch den Stollen gefahren ist und mit der Seilbahn vom Sommerloch hinauf bis zu seinem Arbeitsplatz. Als erstes nimmt er Messungen vor und holt die Schneefräse aus der Garage, mit der er die Zufahrt zum Grimsel Hospiz von Schnee befreit. Aus der Spitallamm-Schlucht werfen Bauscheinwerfer einen fahlen Schimmer in die Nacht, vor der hellen Lampe der Fräse tanzen die Schneeflocken. Die Lichter erhellen nur einen kleinen Bereich einer ansonsten vollkommen dunkeln Bergwelt, die sich still verschneit um das Grimsel Hospiz ausbreitet.

Wir lernen ständig dazu, wie sich der Schnee in der Flanke über der Zufahrtsstrasse verhält, je nach Schneemenge, Wind und Wetter.

Peter Schläppi, Leiter Lawinendienst KWO


Wenn es heikel sei, lasse er die Fräse absichtlich den Schnee in die Flanke schleudern. Manchmal reicht dies bereits, um ein Schneebrett auszulösen. Eine weitere Möglichkeit ist, eine Lawine mit einer Sprengung künstlich auszulösen. Dann kann Schläppi Entwarnung geben, die Strasse unten wird geräumt und die erste Schicht nimmt wie üblich um fünf Uhr die Arbeit auf.  

 

Dieses winterliche Outfit, das seine ganz eigene Schönheit besitzt, ist Peter Schläppis Element. Seit er ein Kind ist, bewegt er sich liebend gerne in der Natur. Seine Eltern führten die SAC-Hütte hoch über dem Gelmersee, die er heute im Sommer selber bewirtschaftet. Als Bergführer eignete er sich das nötige Wissen und die Erfahrung an, die für die Arbeit im Lawinendienst erforderlich sind. «Es braucht Gespür für die Sache», sagt Schläppi später in seinem Büro neben der Seilbahn - station der Sommerlochbahn. «Wir haben immer bessere Daten als Grundlagen und trotz allem muss letztlich jemand den Entscheid fällen, ob das Restrisiko tragbar erscheint.» Alle Beobachtungen und Entscheide müssen gut dokumentiert sein. Schläppi gleicht seine Daten auch regelmässig mit dem Institut für Lawinenforschung in Davos ab. So versucht er, das Risiko zu minimieren und einen Entscheid zu fällen, auch wenn er damit nicht immer allen Freude bereitet. Es sei ein Irrtum, wenn man behaupten würde, die Lawinen «im Griff zu haben». Eigentlich wisse man erst dann, wenn die Lawine tatsächlich niedergeht, dass man zu weit gegangen sei. Bis dorthin stelle sich stets die Frage: Wie nahe waren wir an einer Lawine? 

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