Medienmitteilung
KWO bedauert negativen Bundesgerichtsentscheid über die Vergrösserung des Grimselsees
Das Bundesgericht in Lausanne hat Anfang November die Beschwerde zweier Umweltorganisationen über die geplante Erhöhung der Grimselseestaumauern gutgeheissen. In der Urteilsbegründung, die heute veröffentlicht wurde, heisst es, das Projekt müsse zuerst im kantonalen Richtplan festgesetzt werden, nur so könnten die verschiedenen Nutz- und Schutzinteressen im Grimsel- und Sustengebiet aufeinander abgestimmt werden. Das Bundesgericht hebt somit den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom Juni 2019 sowie den Konzessionsentscheid des Grossen Rates vom September 2012 auf und weist das Geschäft zur Neubeurteilung zurück an den Regierungsrat des Kantons Bern. Die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) nimmt den Entscheid zur Kenntnis, bedauert diesen jedoch.
26.11.2020 Fotos – David Birri
In seinem Urteil zur Erhöhung des Grimselsees macht das Bundesgericht vor allem den Umstand geltend, das Projekt sei nicht definitiv im kantonalen Richtplan hinterlegt, was angesichts seiner gewichtigen Auswirkungen auf Raum und Umwelt und des Abstimmungsbedarfs mit den weiteren Ausbauvorhaben der KWO – insbesondere dem Kraftwerk Trift – jedoch erforderlich gewesen wäre. Daniel Fischlin, CEO der KWO, nimmt den Entscheid zur Kenntnis. "Aber wir bedauern ihn selbstverständlich", so Fischlin. "Wir werden das Urteil und die Begründung nun im Detail analysieren. Das Projekt hat derzeit zwar nicht oberste wirtschaftliche Priorität, trotzdem ist der Entscheid nicht im Sinne der KWO". Man habe sich vom Urteil des Bundesgerichts Klarheit und Planbarkeit erhofft. Fischlin gibt zudem zu bedenken, dass der Bundesgerichtsentscheid auch das Trift-Projekt tangieren werde. Der Konzessionsentscheid hierfür ist für die laufende Wintersession des Grossen Rates traktandiert. Erfreulich sei hingegen, dass das Bundesgericht anerkenne, dass die Erhöhung des Grimselsees von nationalem Interesse sei.
Festsetzung im kantonalen Richtplan fehlt
In seinem heute publizierten Urteil argumentiert das Bundesgericht, da die definitive Festsetzung des Grimsel-Projekts im kantonalen Richtplan fehle, müsse der Konzessionsbeschluss des Grossen Rates betreffend die Vergrösserung des Grimselsees aufgehoben werden. Das Vorhaben sei bislang lediglich als Zwischenergebnis im Richtplan verzeichnet. Zumindest grosse Wasserkraftprojekte würden jedoch zwingend eine definitive Festsetzung im kantonalen Richtplan erfordern. Vorliegend sei dies besonders zu berücksichtigen, weil im selben Gebiet mit dem Kraftwerk Trift noch ein zweites Wasserkraftwerksprojekt mit Auswirkungen auf Raum und Umwelt bestehe. Der bernische Regierungsrat müsse zunächst auf Richtplanebene entscheiden, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Realisierung beider Projekte bestehe, oder ob zur Schonung der Schutzgebiete nur eines davon oder keines von beiden zu realisieren sei. Erst auf der Basis dieser richtplanerischen Grundlage könne über das Konzessionsgesuch der KWO für die Vergrösserung des Grimselsees befunden werden. Das Bundesgericht heisst somit die Beschwerde der Umweltverbände Aqua Viva und die Schweizerische Greina-Stiftung zur Erhaltung der Alpinen Fliessgewässer (SGS) mit Unterstützung des Grimselvereins gut, hebt den Konzessionsentscheid des Grossen Rates von September 2012 auf und weist das Geschäft zur Neubeurteilung an den Regierungsrat des Kantons Bern zurück.
Erhöhung des Grimselsees von nationalem Interesse
Positiv für die KWO ist, dass das Bundesgericht anerkennt, dass das Projekt von nationalem Interesse ist. Die geplante Erweiterung führe zu einem erheblichen Ausbau der Speicherkapazität, so das Gericht. Daneben kritisiert das Bundesgericht jedoch zwei weitere Punkte: Die potenzielle nationale Bedeutung der alpinen Schwemmfläche im Gletschervorfeld des Unteraargletschers* sei nicht berücksichtig worden, zum anderen habe der Grosse Rat der KWO keine Frist für die Realisierung des Projekts angesetzt.
Entscheid tangiert auch Trift-Projekt
Ernüchternd ist für die KWO, dass sich das Urteil des Bundesgerichts zur Staumauererhöhung an der Grimsel mit dem Verweis auf den Richtplan auch auf das Trift-Projekt auswirken dürfte. Dieses sieht einen neuen Speichersee und ein Kraftwerk an der Trift vor. Das Projekt zählt zu den grössten saisonalen Zubauspeichern, die in der Schweiz derzeit politisch, wirtschaftlich und technisch möglich sind. Im See könnte die KWO rund 85 Millionen Kubikmeter Wasser speichern, was einem Energieinhalt von 215 Gigawattstunden entspricht. Das Wasser liesse sich dank des Speichers vor allem auch im Winter zur Stromproduktion nutzen, da die Schweiz während dieser Jahreszeit jeweils auf beträchtliche Stromimporte angewiesen ist. Das Konzessionsgesuch zum Projekt "Neubau Speichersee und Kraftwerk Trift", hätte der Grosse Rat in der laufenden Wintersession beraten sollen. Auch dieses Projekt ist bislang jedoch noch nicht definitiv im kantonalen Richtplan festgesetzt.
Grimselsee-Erhöhung und Verfahren
Das Hin und Her um die Konzession für eine mögliche Erhöhung des Grimselstausees dauert bereits zehn Jahre. Die KWO hat im September 2010 beim Kanton Bern ein Konzessionsgesuch für die Vergrösserung des Grimselsees eingereicht. Das Ausbauvorhaben sieht vor, die beiden Staumauern des Grimselsees um 23 Meter zu erhöhen, das betrifft die Mauer Seeuferegg, die zum Grimsel Hospiz führt, sowie die Spitallammmauer, die derzeit in aufwändigen Bauarbeiten ersetzt wird. Mit dem zusätzlichen Speicher von 75 Millionen Kubikmeter Wasser würde der Grimselsee schliesslich 175 Millionen Kubikmeter Wasser fassen, was einem zusätzlichen Speichervolumen von 240 Gigawattstunden entspricht, welche für die Stromproduktion und die Energieversorgung in der Schweiz – vor allem auch im Winter – genutzt werden könnten. Die Kosten sind auf rund 235 Millionen Franken veranschlagt. Gegen das Projekt haben Umweltverbände Beschwerde geführt. Die KWO erhielt im April 2017 vom Bundesgericht in einem strittigen Punkt recht. Das Bundesgericht befand damals, dass der Bundesrat die Grenze der Moorlandschaft am Nordufer des Grimselsees zulässigerweise 27 Meter oberhalb des heutigen Stauziels festgesetzt habe und dass das Projekt dementsprechend keinen unzulässigen Eingriff in eben diese Moorlandschaft bewirke. Die weiteren Beschwerderügen der Umweltverbände beurteilte das Verwaltungsgericht des Kantons Bern im Mai 2019 abschlägig. Zwei Umweltorganisationen zogen diesen Entscheid in der Folge an das Bundesgericht weiter und erhielten nun teilweise Recht.
*Bemerkung: Im Gerichtsurteil des Bundesgerichts ist von der Schwemmfläche im Gletschervorfeld des "Oberaargletschers" die Rede.
Weitere Informationen:
KWO, Kraftwerke Oberhasli AG
Thomas Huber, Leiter Kommunikation KWO
3862 Innertkirchen
Telefon direkt: 033 982 20 60